Der Hannes-Jakob von Hobbach
Der Hannes-Jakob von Hobbach
Der Mainzer Kurfürst und die Grafen von Rieneck hatten sich Fehde angesagt, und eines Tages kam ein Mainzer Heer das Elsavatal heraufgezogen und belagerte die Rienecksche Burg Wildenstein, die links des Baches, unweit von Sommerau, auf einem Berge stand. Im Sturm wagte man die starke Feste nicht zu nehmen, und so wollte man ihre Besatzung aushungern. Diese litt nach mehrwöchentlicher Belagerung auch große Not, es mangelte sehr an Mehl und Fleisch, und zuletzt waren an Schlachttieren nur noch ein Schwein und eine Kuh übrig. Zu allem Unglück schienen das die Feinde zu wissen, denn wie einmal der Schlossherr mit seinem Knecht, dem Hannes-Jakob über die Mauer ins Tal schaute, hörte er zwei Mainzer sagen: „Sie haben nichts mehr als ein Schwein und eine Kuh, jetzt wird das Nest bald unser sein“.
Der Hannes-Jakob, der von Hobbach gebürtig war, hatte einen guten Einfall.
Er holte das letzte Schwein aus dem Stalle, warf es nieder und kniete sich darauf, so dass es schrie, als ob es geschlachtet werden sollte. Da spitzten die Mainzer die Ohren, weil sie dachten, jetzt müssten die Mundvorräte bald zu Ende gehen. Wie es der Hannes-Jakob aber nach drei Tagen wieder tat und nach weiteren drei Tagen abermals und immer so fort, da sagten sie: „Sie müssen noch vollauf zu leben haben im Schloss. Hört nur, sie schlachten schon wieder ein Schwein.“ Als er es so eine Weile getrieben hatte und die Leute den Gurt um den Leib immer enger schnallen mussten, waren sie gezwungen, ihr letztes Schwein zu schlachten. Alsdann aber ging der Hannes-Jakob in den Stall, blökte wie ein Kalb und plärrte ein andermal wie eine Kuh, und die Feind sagten: „Jetzt geht`s ans Rindvieh“, und sie bekamen es allmählich satt, vor dem Schloss zu liegen. Die Rienecker aber waren am Verhungern, und wie nun eines Tages noch ein einziger Schinken übrig war und sich kaum noch jemand auf den Beinen halten konnte, dankte der Burgherr seinen Mannen für ihr treues Aushalten und gab einem jedem zum Abschied die Hand, weil nun ja doch alle Hungers sterben müssten.
Aber einer von ihnen verzagt immer noch nicht, und das war der Hannes-Jakob. Er wollte noch etwas versuchen und führte die Kuh, von deren Milch sie bisher gelebt hatten, aus dem Stalle, band ihr mit Flachs den letzten Schinken zwischen die Hörner und dazu einen beschriebenen Zettel. Dann trieb er die Kuh zum Tore hinaus. Einige Mainzer fingen die Kuh ein, hingen den Schinken ab und lasen, was auf dem Zettel stand, nämlich:
„So wenig die Kuh den Schinken frisst, sowenig die Festung Euer ist“.
Die Mainzer guckten sich groß an und brachten die Kuh samt dem Zettel zu ihrem Anführer. Dem war die Zeit ohnedies schon zu lang geworden, und als er die Zeilen gelesen hatte, sagte er: „Blast zum Abmarsch, denn da verhungern wir eher, als dass denen da droben die Kost ausginge.“ Morgens zogen sie ab mit Sack und Pack das Tal hinunter, die Rienecker trauten zuerst ihren Augen nicht und wagten sich kaum zu mucksen. Dann aber ging ein Jubel los an allen Ecken und Enden. Die Kranken und fast zu Tode Erschöpften lebten wieder auf, alles umringte froh den Schlossherrn, der schmunzelnd seinen Schnauzbart strich und sagte: „Das hat uns Gott geraten!“
Aber sooft ich ein Schwein schreien und eine Kuh brüllen höre, will ich an den Hannes-Jakob von Hobbach denken und an seinen guten Einfall.